Nobelpartie im Schnee

Veröffentlicht am 10. Februar 2005 von Roman
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Es wird ein Rätsel bleiben, warum ausgerechnet in einer weitgehend weißen Umgebung die textile Ausstattung besonders knallig ist. Bunte Punkte im Schnee: Jacken in Kunstrasengrün, Hosen in Ferkelrosa und Mützen, so gelb wie überreife Zitronen. Skibekleidung ist meist so gutgelaunt bunt und so riskant gemustert, als müsse damit der Adrenalinausstoß bei einer Abfahrt dokumentiert werden. Keiner verbindet offenbar Power-Wedeln mit einem matten Grau. Aber müssen die deutschen Skiläufer deshalb ihre Wettkämpfe seit Jahr und Tag als Zebras bestreiten? Die ungestüme Lust an Farbe und Muster hat die Skimode in Verruf gebracht.

Das mag auch daran liegen, daß das Genre nie im Fokus internationaler Designer stand. Nur ehemalige Rennläufer wie Willy Bogner und Emilio Pucci arbeiteten in den vergangenen Jahrzehnten daran, dem Skifahren eine 'stylishe' Note zu verleihen. Und Jean Charles de Castelbajac entwarf für Rossignol eine Skikollektion - grafisch unterkühlt.

Andere Designer des Pret-a-porter hielten sich zurück. Möglicherweise, weil Skifahren eben nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der kapriziösen Modewesen gehört. Oder hätte man sich den Ästheten Karl Lagerfeld im Schlepplift vorstellen können? Oder eingezwängt zwischen trinkfreudigen Pistenrowdys in einer verrauchten Skihütte? Abgesehen davon, daß Germknödel und Jagertee Todfeinde der Lagerfeldschen 3D-Diät sind. Doch die Distanz zum alpinen Sport ist in Mailand und Paris geschmolzen wie Pulverschnee in der Sonne. Neuerdings beschäftigen sich Designer ganz gerne mit dem buntem Treiben auf der Piste. Denn seit der Markt schwieriger geworden ist, gilt es, neue Zielgruppen auszuloten. Skimode ist für viele Designer-Labels eine Erweiterung ihres Spartenprogramms, ein Zusatzangebot wie Badelinien, Kreuzfahrtmode oder Cocktailgarderobe. Zu den neuen Anzügen, Skibrillen und Handschuhen wird immer mehr Technik und Hardware geboten: Ski, Stöcke und Snowboards - von Chanel, Dior oder Escada. Designermode für die Piste sei der neue 'coole Trend', schreibt die 'Herald Tribune'.

Das Münchner Unternehmen Escada präsentiert in dieser Saison zum ersten Mal eine Skiausrüstung - mit tibetanisch angehauchtem Muster, das sich in bestickten Brokatwesten der Winterkollektion wiederfindet. Natürlich hat Escadas Chefdesigner Brian Rennie nur die Oberfläche entworfen. Damit die Technik stimmt, haben die Münchner mit einem kleinen Kitzbüheler Skifabrikanten zusammengearbeitet. Als Clou haben die Ski einen Kern aus Holz. Funktionalität plus Design hat seinen Preis: 1300 Euro kostet ein Paar Escada-Ski, ausschließlich online zu beziehen über http://www.escada.com.

Die Frau zum dazugehörigen Brett sieht bei Escada Sport so aus: Über den engen Jetskianzügen in Schwarz und Blau trägt sie glänzende Satinjacken in Pink, Gelb und Türkis. Vervollständigt wird das 'poppige Slalom-Outfit', wie es im Pressetext heißt, von den puscheligen Fellstiefeln und den überdimensionierten Skibrillen, die man in der Warteschlange zum Skilift lässig über der Pudelmütze trägt. Weil die Riesenbrille das Gesicht so unschön verdeckt, betont Dior geschickt den Liebreiz von Skihaserln auf anderer Ebene - eine Etage tiefer. Sicher, es zieht ein bißchen. Aber warum sollte man nicht, leicht verschwitzt nach einer anstrengenden Talfahrt mit dem Snowboard, den Reißverschluß des engen Skianzugs bis knapp über dem Bauchnabel aufziehen? Und schließlich tragen nur Memmen Angorawäsche unter Neopren. Die Dior-Frau trägt einen Hauch von Nichts.

Die französische Marke bietet seit einer Saison Ski, Snowboards, Anzüge, Mützen, Brillen und Handschuhe an - und das 'sehr erfolgreich', wie es in Paris heißt. Die Skimode paßt sich in etwa der Temperatur an, die Dior auch in seiner Damenkollektion bevorzugt: nicht den Minusgraden entsprechend unterkühlt, sondern erotisch aufgeladen, knapp unter dem Siedepunkt. Besonders einfallsreich: der über dem Skianzug aus Nylon in Jeansoptik getragene Minirock. Nur so kommt der Po beim Snowboard-Schwung richtig zur Geltung.

Auch Chanel verfolgt in seiner 'Neon-Sportswear' keine grundsätzlich andere Strategie. Beim Skifahren kann man ruhig ein Schmollmündchen ziehen und die Skistöcke zwischen den Beinen kreuzen, wie es uns das Model im Katalog so hübsch vormacht. Chanel setzt wie bei seiner Tageskollektion einen Schwerpunkt auf Schwarz - kombiniert mit Weiß sowie dosiertem Rot und Gelb. Die Skianzüge sind aus nachtblauem Taft, die Marineparka aus Filz mit dazu passenden Wollpullovern. Auch hier im Angebot: der Minirock. Die Bretter und das Snowboard sind schwarz und tragen das berühmte Chanel-Logo mit dem Doppel-C, Kostenpunkt: zirka 1500 Euro.

Durch alle Skikollektionen in dieser Saison zieht sich der Retro-Style und bedient sich munter vergangener Jahrzehnte. Escada, Chanel und Dior nehmen Anleihen bei den achtziger Jahren - so könnte weiland Jerry Hall im Lift gesessen haben. In der Sportkollektion von Versace sieht man eher die Gefährtinnen von Luis Trenker die Buckelpisten runterbrettern. Was aber, wenn es Nachmittag, der Schnee schlecht und die Champagnerflasche kalt gestellt wird? Dann droht das Apres-Ski. Und mit ihm die bange Frage: Was trage ich an der Schneebar oder zum Hüttenzauber beim Stanglwirt?

Wer sich nicht viel Arbeit machen will, kann dem Beispiel Chanels folgen und eine Nylonkamelie ans Jetskianzug-Revers heften. Manchmal reicht es auch, die klobigen Skistiefel durch noch klobigere Moonboots (Dior) oder Fellstiefel (Chanel und Escada) zu ersetzen. Wer sich des Neoprens entledigen will, sollte zu Chanels Tweedjacken in breitem Jagdhundzahnmuster greifen oder zum bodenlangen Strickmantel mit Nerzeinsatz von Escada. Macht sich auch gut am Rande von verschneiten Polofeldern oder beim Curling auf vereisten Seen.

Und was bleibt dem Mann? Chanel stopft ihn in schwarze oder blaue Overalls, darüber trägt er Kastenjacken aus Leder und Tweed. Für die Marke Hugo Boss geht der Skifahrer kernig auf die Piste, trägt Sweatshirts mit Parka oder - eher futuristisch - graue Kapuzenpullis mit schwarzen Steghosen. Das hat Stil - bei Neuschnee, Pappschnee, Tauwetter und sogar im Flachland.
(Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

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