Das beste Restaurant der Stadt?

Veröffentlicht am 07. April 2007 von Roman
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Man soll ja nicht vorschnell urteilen - aber nun ist es schon das dritte Mal, dass wir einen netten und kulinarischen Abend in Wiens Gourmet-Tempel Nummer 1, dem Steirereck machten. Und allehöchste Zeit einmal unsere Eindrücke niederzuschreiben.

Denn jeder unserer Besuche löste auch immer ziemlich unterschiedliche Diskussionen über Qualität und Eindruck bei uns aus. Dabei will ich diesmal gar nicht auf architektonische Besonderheiten des Steirerecks eingehen - dazu gab es ja hier auf s44.at schon die eine oder andere Meldung in unserem Photoblog (1) (2). Heute geht es um unsere kulinarischen und kontroversiellen Erlebnisse.

Von Start weg wird man im Steirereck herzlich und offen empfangen, schnell sitzt man an seinem Tisch und schon wuseln eine Menge Kellner um einen rum - rücken die Stühle zurecht, schenken Wasser ein, stellen einem den ersten Gruß des Hauses hin und kommen mit dem Champagner-Wagen vorbei. Alles sehr beeindruckend - vor allem, wenn man auf Erlebnisgastronomie steht oder den Abend als Vorstellung betrachtet, in der man die Hauptrolle spielt. Etwas nüchterner betrachtet (ein Zustand, der sich dann später ja noch ändern kann) kann das ganze auch bald einmal zuviel werden. Nicht, dass man mich hier falsch versteht: ich mag es durchaus, wenn man gepflegt und umhegt wird. Allerdings ist es wirklich schwer eine Unterhaltung in der ersten Viertelstunde im Steirereck mit seiner Abendbegleitung zu beginnen - denn kaum hat man mit einem Satz begonnen, drängt sich auch schon jemand dazwischen und fragt nicht einfach nach einem Aperitif - sondern betet einem gleich die ganze Auswahl von 4 Fruchtsäften, 6-7 Champagnern und anderen Dingen vor. Klingt irgendwie nett - aber wer einfach einen netten Abend mit gutem Essen in gediegenem Ambiente verbringen möchte - und dieses vielleicht sogar öfters tut - der kennt die Dinge bald und ist auch schnell davon gelangweilt. Vielleicht wäre es eine gute Idee irgendwie dezent davor abzufragen, ob man das Essen mit all dem Schischi und Drumherum haben möchte - oder einfach lieber nur 'Simply Steirereck'. Möglicherweise wird unter 'Simply Steirereck' aber heutzutage eben der ganze Schischi verstanden.

Dem ersten Gruß des Hauses folgt der nächste - und dann noch einer - und irgendwann bekommt man dann auch die Karte und darf wählen, was man eigentlich essen will. Und das ganze 'Gegrüße' ist auch so eine Sache. Da werden winzigste Speißchen auf Messerspitzen serviert - wahrscheinlich könnte man dazu auch Molekularküche sagen, denn aus vielen Molekülen bestehen diese Grußformeln wahrlich nicht. Meinereins findet das Servus aus der Küche durchaus nett und in dieser Preisklasse auch als unverzichtbar. Die Dinge sind auch alle mit Liebe und Feingefühl zubereitet. Nur noch lieber wäre mit wirklich EIN wohlschmeckender Gruß - dafür aber in einer Größe, dass man ihn auf der Zunge wenigstens wahrnehmen kann, beziehungsweise man sich mit einem 2. Bissen sogar von der ausgezeichneten Qualität nochmals begeistern lassen kann.

Das Speisekarten-Dramulett: was eigentlich nicht geht ist die Tatsache, dass sich die Karte nur alle 5-6 Wochen ändert. Gut - das fällt keinem auf, der ohnehin nur einmal in seinem Leben in so ein Lokal kommt. Vielleicht ist man auch nicht öfters erwünscht. Aber wer gerne gut isst, sich immer wieder von neuen Geschmacksvariationen verführen lassen will und das nötige Kleingelb mitbringt, der sollte doch schon die Möglichkeit dazu haben sich hier öfters niederzulassen und Neues aufgetischt zu bekommen. Die Wahl zwischen Menügängen und à la Carte bezieht sich leider auch fast nur auf die Größe der Portionen - denn auf der Linken Seite der Speisekarte steht das 6-gängige Menü mit jeweils 2 Speisen zur Auswahl - und auf der rechten Seite steht das ganze dann nochmals - eine etwas überspitzte Darstellung - aber wir haben es alle so empfunden. Und für Leute, die mit Innereien (Gänseleber) und beispielsweise Fisch nicht soviel anfangen können (ist ja Geschmackssache), wird es echt schwierig eine Auswahl zu treffen - und gar nicht vorzustellen, wenn diese dann vielleicht nach 2 Wochen nochmals ins Steirereck wollten/müssten.

Ist ja Geschmackssache: was einem mundet und was nicht ist natürlich stets subjektiv. In meinem Fall hatte ich beim 3. Steirereck-Besuch das für mich geschmacklich beste und stimmigste Essen - natürlich auch wegen der Tatsache (hat also auch einen Vorteil), dass ich die Speisen schon kannte und so nicht bestellte, was mich beim letzten Mal auch nicht überzeugte. Es empfiehlt sich jedenfalls, die Karte genau zu studieren und sich die Speisen bildlich vorzustellen. Was allerdings schwierig ist - denn sie bestehen aus einer Unzahl von Zutaten die ganz interessant kombiniert werden. Uns stört das nicht, da wir ja ohnehin fast alles essen und mögen. Vieles (vor allem Fisch) haben wir bisher allerdings meist nur in der gedämpften Form genossen - wo bleiben die schönen und knusprig rausgebratenen Fischarten?

Sollte man einmal vergessen haben, was man eigentlich bestellt hat, dann helfen kleine Tischkärtchen wo alle Zutaten der Speise aufgelistet sind. Das ist eine interessante und tolle Idee - und hilft beim Zuordnen. An dieser Stelle, mein liebes Steirereck, muss euch schon einmal mitgeteilt werden, dass es auch möglich ist, diese Karten alle fein säuberlich gerade und gleich groß zu schneiden. Eine Kleinigkeit, die aber nicht nur uns stets auffiel!

Die Gänge kommen und gehen - oft werden sie zum Gesprächsthema - ob ihrer Güte oder weil man ein wenig enttäuscht ist. Die Konstellationen lassen geschmackliche Highlights erwarten - und wer möchte nicht von neuen kulinarischen Experimenten das so selten gewordene AHA-Erlebnis wieder einmal erleben. Vielleicht ist auch das oft Stein des Anstoßes einer Enttäuschung - weil sich alles so toll und interessant gelesen hat, sich vor einem dann aber nicht als solches entpuppte! Aber wir wollen nicht nur kritisch sein. Und bei mir war es ja dieses Mal auch wirklich sehr sehr fein. Zum Beispiel der Gang 'Alpenlachs & Kalbsherz' (leicht geräucherter Alpenlachs mit Kalbsherz-Beuscherl & Gewürzrauch) war ein wirkliches Gedicht - serviert unter einer Porzellanhaube, die dann beim Öffnen noch den Rauch in die Nase leitete. Auch das 'Pogusch Lamm' (Lammrücken & Lammbauch mit Kohlrabi & türkischem Honig) war besonders fein. Dafür enttäuschte aber der 'Algensalat' (leicht gelierter Algensalat mit Muscheln, pannonischem Safran & Kalbsbries) - und in den Muscheln war knisterte noch Sand oder Schalenreste. Oder auch der 'Polenta Strudel' (gekochter Polenta Strudel mit Ochsenschlepp, Artischocken & Zitrusfrüchten) - eine etwas fade Angelegenheit und als Hauptgang ungeeignet.

Es gibt noch Gutes: der Brotwagen und der Käsewagen sind einfach nach wie vor von allerbester Qualität. Das frische Blunz'nbrot ist ein Traum - aber auch alle anderen Brotsorten werden mit 4 unterschiedlichen Sorten Butter gereicht. Und wenn erstmal die Lade für Erwachsene beim Käsewagen geöffnet wird - dann fallen die Einen vom Hocker und die Anderen schweben in den Himmel. Neu ist der Kräutertee-Wagen. Letzteres haben wir noch nie probiert - und wir haben auch noch nie jemanden gesehen, der davon probierte. Wer auf Kräutertee abfährt, kann sich hier sicher ganz gut den Magen wieder einränken lassen.

Das süße Ende: War leider wieder eine Enttäuschung und schließt sich nahtlos ans Speisekarten-Dramulett an. Denn eine Dessertkarte gibt es nicht - und so stehen lediglich 2 Desserts aus dem Menü zur Auswahl. Meiner Meinung nach geht das gar nicht. Und so schwierig sollte es ja auch wieder nicht sein, zumindest 4 oder 5 Varianten anzubieten. Und das Dessert ist ja auch nicht zu unterschätzen - es ist der Gang, der als letzter den Eindruck prägt, den man dann mit nach Hause nimmt.

Alles in allem stehen wir dem Genusstempel also durchaus kritisch gegenüber. Vielleicht ein kleiner Trost für die Steirerecker: Im Moment scheint uns die generelle Qualität der gehobenen Küche in Wien ohnehin auf schlechten Beinen dazustehen. Viel wird experimentiert - El Bullis verdrehen den Gourmetkritikern den Kopf und ohne Experimental-Küche und den aberwitzigsten Kombinationen scheint heute gar nichts mehr zu gehen. Viele vergessen dabei aber leider, dass wir als Konsumenten aber schon immer wieder nach dem neuen Geschmackserlebnis suchen, allerdings sollte es dann auch eines im positiven Sinne sein. Und neu und anders bedeutet leider überhaupt noch nicht gut und überzeugend. Vielleicht liegt es aber auch rein an uns selbst. Wenn man gerne gut und ausgefallen isst, dann erlebt man einiges und die tollen Erlebnisse werden immer geringer. Allerdings kann man diese dann bei uns auch nicht mehr mit einer Menge Schischi erreichen.

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