Welturaufführung von Philip Glass’ 9. Symphonie in Linz

Veröffentlicht am 01. Jänner 2012 von Roman
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Unter dem Deckmantel des Linzer Neujahrskonzert wurde die 9. Symphonie von Philip Glass uraufgeführt. Doch scheinbar traut man den Linzern keinen vollen Konzertsaal im Brucknerhaus zu, wenn man dies nicht unter dem Deckmantel eines Neujahrskonzert und nach Beethovens 8. Symphonie tut. Denn Philip Glass, der ja ein noch lebender Komponist ist und sich demnach moderner Musik (in diesem Fall auch als Minimal Music bezeichnet) widmet, würde viele Linzer (vor allem, wenn man sich das Publikum dort näher ansah - brrrrr) wohl eher abschrecken.

Uns hätte da wohl eher der Termin abgeschreckt. Denn wer bitte braucht Neujahrskonzerte? Nach einer ausgelassenen Nacht nicht unbedingt das Highlight für einen gelungenen Jahresauftakt - wenn schon - dann vielleicht mit Decke und Tee auf der Couch im Fernseher zu genießen (aus meiner Sicht aber auch höchst entbehrlich - wenn es mich auch immer wieder erwischt - so spät kann man irgendwie gar nicht aufstehen am 1. Jänner).

Aber wacker haben wir (also eigentlich Werner) die Karten schon Mitte des Jahres besorgt und der Startzeitpunkt war (wenn auch in Linz) wenigstens menschlich mit 16 Uhr anberaumt. Werner war so nett den Chauffeur für uns zu spielen und kutschierte und bei höchst tristem Wetter in ein graues Linz wo wir dann überpünktlich das Brucknerhaus betraten. In meinem Fall leider mit einem immer stärker werdendem Kopfweh (und zuhause vergessenen Kopfwehtabletten). Dann wurde Beethoven angestimmt und ich war gar nicht gut drauf. Für mich fade und uninteressant (was einfach an der 8. liegt). In meinem Kopf ging rum, ob die 8. von Beethoven nicht deswegen gewählt wurde, weil Beethoven immer ein Publikumsmagnet ist und es auf der anderen Seite eine der langweiligsten Symphonien ist, damit dann das neue Werk von Philip Glass eine gute Bühne hat. Nach 30 Minuten gab es also Pause - warum kann man sowas nicht durchspielen? Das Kopfweh wurde auch nicht besser. Dann ging es wieder zurück auf die Plätze und Dennis Russell Davies dirigierte das Auftragswerk. Mit einem theatralischem Auftakt - nämlich langes Warten, bis es wirklich mucksmäuschenstill im Saal war. UND DANN – die ersten Klänge und man konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es klang nach Philip Glass - so als würde man in irgendeinem anderen Stück von ihm sitzen.

Der Eindruck änderte sich dann aber schnell, wo mit vielen Rhytmuswechsel und jeder Menge feinen Harmonien ein überaus erwachsenes und musikalisch tolles Stück in 3 Sätzen mit vollem und sehr gut einstudiertem Orchester dargeboten wurde. Niemals langweilig oder ermüdend. Spannend und überaus gelungen. Eine Symphonie, die man sich gerne (was man ja nicht von jedem modernen Werk sagen kann) wieder anhören kann. Die nächste Chance gibt es dazu am 31. Jänner in New York (Karten wird es hier wohl aber keine mehr geben) zum 75. Geburtstag von Philip Glass in der Carnegie Hall. Wäre aber spannend zu sehen, ob es da etwas pompöser (also Rahmen, Ankündigung und Feier) gespielt und empfangen wird. Denn das Linzer Kulturpublikum ist leider nicht nur keine Augenweide, sondern man konnte sich dem Eindruck nicht entledigen, dass hier Beethoven klar als Sieger in diesem Duett wahrgenommen wurde. Dennoch gab es immerhin Standing Ovations für ein durchaus gelungenes Konzert (oder war es doch Glass) und das Publikum hielt (stehenderweise wohlgemerkt) immerhin 3 Auftritten des Künstlers (der selbst auch anwesend war) stand bevor man zur Garderobe stürmte.


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